Diaspora Entrepreneure und das Berliner Start-up Ökosystem

Diaspora Entrepreneure und das Berliner Start-up Ökosystem

„Diaspora Entrepreneure‟ (DE) – Ausländer, die eine gewisse emotionale Verbindung zu ihrem Ursprungsland aufrecht erhalten (Safran, 1991) – haben eine starke Präsenz in erfolgreichen Start-up-Ökosystemen. Seit 2014 werden in Berlin 50%+ aller Start-ups von Ausländern gegründet – im Silicon Valley war diese Quote sogar bereits in 2005 erreicht. Bezieht man zusätzlich inländische Wanderungen mit ein – wie es bspw. OMR-Redakteur Florian Rinke in seinem Buch „Silicon Rheinland‟ tut – sollte der Anteil von ‚Nicht-Berlinern‘ am Berliner Ökosystem noch wesentlich höher sein.

DEs bringen zwei erfolgsversprechende Charakteristika mit: „Mixed Embeddedness‟ – d.h. das Eingebundensein sowohl in Netzwerken des Herkunftslands als auch des Wohnsitzlands (Kloostermann et al., 1999) – und „Bi-Focality‟ – d.h. das Besitzen eines anderen kulturellen Hintergrunds, welcher DEs erlaubt Problemstellungen in einem Markt aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu können oder Chancen zu sehen, die unsichtbar für Inländer sind (Rouse, 1992).

Diese Eigenschaften wirken positiv auf das aufnehmende Start-up-Ökosystem, da sie den bestehenden Ressourcenpool verbessern (‚capital reinforcement‘) oder mit anderen Ressourcenpools verbinden (‚capital interweaving‘):

  • DEs – die i.d.R. eine gute akademische Ausbildung und unternehmerische Vorer-fahrung mitbringen – erhöhen selbst das Humankapital des aufnehmenden Ökosystems (‚brain gain‘)
  • Durch ihre Kontakte zu Universitäten und Forschungseinrichtungen werben sie weiteres Humankapital (Co-Founder, Mitarbeiter) ein
  • Sie ziehen ‚ausländisches‘ Finanzkapital an, bspw. über persönlich bekannte In-vestoren oder öffentliche Förderprogramme ihres Heimatlands
  • Ihr ‚Heimatmarkt‘ bietet eine ideale Grundlage für die Skalierung und Internatio-nalisierung ihres Start-ups, da sie dessen Besonderheiten kennen und auf ihre dortigen Netzwerke zurückgreifen können
  • DEs entwickeln die Start-up-Kultur des aufnehmenden Ökosystems weiter, da sie generell risikofreudig sind (immerhin haben sie sich entschieden in einer für sie fremden Umgebung zu gründen) u. Problemstellungen mit anderen Augen sehen als ‚Inländer‘ (s.o., „Bi-Focality‟)

Wandern von Human Ressourcen und Finanzkapital

Konkret bedeutet dies bspw.:

  • Die Samwer-Brüder (gebürtige Kölner) gründen Alando – eher durch Zufall – in Berlin und verkaufen das Unternehmen relativ kurzfristig an eBay
  • Nach Gründung und Verkauf von Jamba! ziehen sie mit Rocket Internet und dem European Founders Fund einen Akzelerator und eine eigene VC-Gesellschaft hoch, die u.a. in Delivery Hero, HelloFresh, Home24, Westwing und Zalando investieren
  • Durch ihre guten Kontakte zu Oliver Samwers Alma Mater, der rheinland-pfälzischen WHU, versorgen sie Neugründungen stetig mit hochqualifiziertem Personal – das nach einiger Zeit in den Portfoliofirmen selbst als Gründer, Business Angel, VC-Investor (bspw. Project A) tätig wird
  • Durch das klare Herausbilden einer ‚deutschen Start-up-Hauptstadt‘ bauen bspw. nordrhein-westfälische Unternehmen ihre Akzelerator- oder CVC-Arme in Berlin und nicht an ihrem Stammsitz auf; ebenso investieren viele vermögende Familien der alten Bundesrepublik in die von den Samwers geschaffenen Vehikel
  • Die steigende Anzahl von ‚Success stories‘ erhöht kontinuierlich die Anzahl von Gründungswilligen und Start-ups, Akzeleratoren und Inkubatoren sowie Kapitalgebern – teils ehemalige Gründer, teils ‚institutionelle‘ Business Angels, CVC und VC-Fonds – und führt schließlich zu einem ‚selfsustaining eco-system‘ – mit dem Ergebnis, dass zu den größten Arbeitergebern Berlins heute diverse Unternehmen gehören, die von den Samwers mitaufgebaut und/oder finanziert wurden

Was zunächst im innerdeutschen Kontext funktioniert hat, erfolgt nun zunehmend auch international: der Erfolg von SoundCloud hat dem Berliner Ökosystem nicht nur 500+ USDm Funding von größtenteils internationalen Kapitalgebern eingebracht, sondern insbesondere einen Zustrom von skandinavischen Gründern beschert.

Erkenntnis für Regionen

  • Bewusstsein für die Bedeutung von DEs für lokale Start-up-Ökosysteme entwi-ckeln und gezielt Programme entwickeln (bspw. Gründungsstipendien, kosten-freie Sprachkurse), um diese anzuwerben und zu halten

Quellen/weitere interessante Inhalte

  • www.ihk-berlin.de
  • Baron, T. & Harima, A. (2019). The role of diaspora entrepreneurs in start-up eco-system development – a Berlin case study. International Journal of Entrepreneurship and Small Business, 36,1/2
  • Kloostermann, R., van der Leun, J. & Rath, J. (1999). Mixed embeddedness: (In)formal economic activities and immigrant business in the Netherlands. In-ternational Journal of Urban and Regional Research, 23(2)
  • Rinke, F.: Silicon Rheinland – Wo die Wiege der deutschen Start-up-Szene wirklich liegt, Redline, München
  • Rouse, R. (1992). Making sense of settlement: class transformation, cultural struggle, and transnationalism among Mexican migrants in the United States. Annals of the New York Academy of Sciences, 645(1)
  • Safran, W. (1991). Diasporas in modern societies: myths of homeland and return, Diaspora: A Journal of Transnational Studies, 1(1)
„Write code and talk to customers‟

„Write code and talk to customers‟

Unsere Erkenntnisse von Y Combinator

Y Combinator (YC) gilt als einer der erfolgreichsten Inkubatoren/ Seed-Stage-VC-Funds in den USA – das Unternehmen hat bis heute 3.000+ Start-ups finanziert/ mitgegründet, u.a. AirBnB, Docker, DropBox und Twitch und einen kombinierten Portfoliowert von 600+ USDbn erreicht. Der von Paul Graham (PG) gegründete Akzelerator wird ebenso in einschlägigen akademischen Rankings (Seed Accelerator Rankings Project) kontinuierlich zu den Top-Programmen in den Vereinigten Staaten gezählt.

Während sich mittlerweile Inkubatoren/ Fonds etabliert haben, die bewusst vom YC-Modell abweichen (Mucker), ist es weiterhin die Grundlage für viele ähnliche Unter-nehmungen weltweit.

Wesentliche Charakteristika sind:

  • Regionaler Fokus (Silicon Valley)
  • Dreimonatiges ‚Bootcamp‘ mit einem umfangreichen Mentoring-Angebot, das auf einen Prototype- oder Demo-Day hinarbeitet
  • Zwei Batches pro Jahr, so dass eine Gruppe von Start-ups entsteht („Batchmates‟), die sich gegenseitig unterstützt
  • Ein aktives Alumni- und Partnernetzwerk
  • Ein wöchentlicher Touchpoint (bspw. ein gemeinsames Essen oder eine Key Note Speech zu einem ausgesuchten Thema), der insbesondere den Ansporn innerhalb des Batches erhöht von Woche zu Woche Ergebnisse zu erzielen

Ziel für Start-ups nach der Zeit bei YC ist es, etwas erstellt zu haben (bspw. ein Minimum Viable Product), mit dem sie bereit für eine Finanzierungsrunde oder (in seltenen Fällen) Akquisition sind.

Wir haben unsere persönlichen Erkenntnisse aus dem YC-Programm einmal für euch aufgeschrieben:

Für Startups und Gründer

  • „Write code and talk to customers‟ (PG): Fokussiere dich auf die Produk-tentwicklung und auf den Aufbau von Kundenkontakten – überlasse administra-tive Dinge Anderen („Fundraising is just this tedious errand to be got over with as quickly as possible‟ (PG))
  • Setze dir messbare (wöchentliche) Ziele (‚you make what you measure’)
  • Gehe möglichst früh in den Markt und sammle Feedback ein (‚if you are not embarrassed of the first version of your product, you have launched too late’)
  • Vertraue dich neben einem oder mehreren Mentoren, einem Moderator/ Mediator an, der dir durch die schwierigen Phasen der Gründung helfen kann

Für Regionen und Inkubatoren

  • ‚Lite Curriculum‘: Schaffe ein Umfeld, in dem sich Gründer auf die Entwicklung ihres Produkts konzentrieren können, anstatt sie mit ‚nice-to-know‘-Inhalten (bspw. Coachings zu OKR, Corporate Culture oder Finanzierung) abzulenken
  • ‚Founder-friendly financing‘: Ermögliche Gründern über eine entsprechende Fi-nanzierungs- und Governancestruktur (bspw. eine kleine Eigenkapitalinvestition kombiniert mit einer größeren Wandelschuldverschreibung, keine Board-Seats) ein für sie lohnendes Risiko einzugehen
  • Gib möglichst vielen Gründern über kleine Investitionen eine Chance sich zu beweisen, anstatt viele Ressourcen in wenige Ausgesuchte zu investieren („the only effective way of determining who does excel is by having lots of people try‟ (PG))
  • Jede Stadt/Region kann Start-up-Hub werden – es braucht dafür nur eine kleine Anzahl an aktiven Treibern und eine generelle Toleranz gegenüber Unbotmäßigkeit („unruliness‟) und Merkwürdigkeit („oddness‟), die das Hacker-Umfeld mit sich bringt

Quellen/weitere interessante Inhalte